Empowerment für Menstruierende: Ein Interview mit der Autorin des Menstruationsbuchs ‘It’s all blood’ - Melanie Gürtler

Empowerment für Menstruierende: Ein Interview mit der Autorin des Menstruationsbuchs ‘It’s all blood’ - Melanie Gürtler

Interview mit der Autorin des feministischen Menstruationsbuchs ‘It’s all blood’, Melanie Gürtler:

Melanie Gürtler steht für Bodypositivity, Periodpositivity und Authentizität. 

Am Dienstag, 07.05.2024 findet eine Online-Lesung statt. Weitere Informationen findest du hier

Die gebürtige Augsburgerin arbeitet heute als Autorin und Illustratorin in der Oberlausitz. Sie illustriert Kinderbücher und Editorial und arbeitet als Graphic Recorderin und Live-Porträt-Zeichnerin. Ihr Menstruationsbuch ‘It’s all blood’ hat sie geschrieben, um junge menstruierende Menschen zu empowern und einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die Periode zu leisten.

Weitere Infos zu Melanie unter : www.melanie-guertler.de

Unser Interview

Hallo liebe Melanie. Eine wichtige Klärung vorweg: Ich habe gar keinen Uterus. Warum sollte ich überhaupt weiterlesen? Das Thema geht mich doch gar nichts an, oder?

Menstruation geht uns alle an! Jede Person hat irgendeinen menstruierenden Menschen im Umfeld. Nur indem du dir Grundwissen zu den anatomischen Vorgängen und möglichen Herausforderungen aneignest, kannst du gute Unterstützung bieten.

Menstruation ist vielfältig. 

 

Wie hast Du es geschafft, in Deinem Buch die Vielfalt der Menstruationserfahrungen abzubilden? Gab es bestimmte Perspektiven, die Du besonders hervorheben wolltest? Was waren Deine Kriterien zur Auswahl der Gesprächspartner*innen?

Tatsächlich habe ich zunächst in meinem persönlichen Umfeld rumgefragt, aber dann habe ich auch schnell Social-Media-Persönlichkeiten, die sich mit dem Thema Periode offen beschäftigen, angefragt. Zudem wollte ich eine möglichst große Altersspanne abbilden. Die jüngste Interviewpartnerin war 16, die älteste Mitte 50. Dadurch und durch die Menge der Interviews konnte ich ein möglichst diverses Bild von menstruationsbezogenen Themen zeichnen.

Wie hast Du versucht, in Deinem Buch die Bedürfnisse und Erfahrungen von trans*- Jugendlichen einzubeziehen? Welche weiteren Ressourcen oder Unterstützungsmöglichkeiten würdest Du Jugendlichen empfehlen, die sich tiefer mit dem Thema Menstruation und Geschlechtsidentität auseinandersetzen möchten?

Sucht euch in eurer Umgebung Gleichgesinnte. Seid offen für die Erfahrungen der Anderen und lebt mit gegenseitiger Toleranz. In vielen Städten gibt es inzwischen Support-Gruppen für trans*idente Jugendliche, Kinder und Erwachsene.
Für das Buch konnte ich im persönlichen Umfeld ein bisschen trans*-Perspektive mitkriegen. Leider hat sich keine trans*-Person bereit erklärt, ein vollständiges Interview mit mir zu führen, was auch zeigt, dass für diese Personengruppen das Thema Menstruation noch sensibler sein kann als für cis-Frauen. Da liegt als Gesellschaft noch ganz viel Arbeit vor uns.

 

Welche Herausforderungen hast Du bei der Recherche und dem Schreibprozess von It’s all blood noch erlebt? 

Die größte Herausforderung war die, dass eigentlich kein Buch geplant war, sondern ein Booklet mit einigen Interviews und dazugehörigen Portraits. Dies wurde durch ein Stipendium unterstützt. Allerdings fand ich das Ergebnis etwas ‘platt’, und so wuchs und wuchs und wuchs das kleine Booklet zu einem richtigen Buch heran.
Bei der Recherche war es manchmal schwierig, Fakten und Mythen zu trennen, aber da hatte ich zum Glück Unterstützung von Gynäkologinnen und Hebammen, die alles nochmal geprüft haben. Besonderes Feingefühl war auch bei den ‘unschöneren’ Themen, wie Erkrankungen und Schmerzen, notwendig, weil ich den jungen Lesenden ja keine Angst machen, aber dennoch für wichtige Themen wie Endometriose sensibilisieren wollte.


Aufklärung und Selbstakzeptanz: Bewusstsein schaffen für zyklische Schwankungen

Immer wieder betonst Du, wie hilfreich es sein kann, als menstruierende Person den zyklischen Charakter des eigenen Lebens zu akzeptieren. Wie können wir als Gesellschaft dazu beitragen, dass diese Akzeptanz als etwas Positives und Empowerndes wahrgenommen wird, anstatt als etwas, das stigmatisiert oder diskriminiert wird?


Es gibt ja inzwischen Länder, in denen man als menstruierende Person Tage freinehmen kann, um dem Körper die Möglichkeit zu geben, sich auszuruhen und diese winterliche Innenkehr zuzulassen. Ohne gesetzliche Regelungen dieser Art hängt es an jeder einzelnen Person, Menschlichkeit zu zeigen im Umgang mit anderen, vor allem Mitarbeitenden. Schmerzen und auch gynäkologische Erkrankungen nicht herunterzuspielen, sollte selbstverständlich sein, ist es aber leider immer noch nicht. Ich sehe hier auch die Sensibilisierung der jüngeren Generation als einen wichtigen Schritt. ‘It’s all blood’ soll dazu einen Beitrag leisten.

Gibt es bestimmte Rituale oder Praktiken, die Du persönlich in deinen Alltag integrierst, um den zyklischen Charakter Deines Lebens zu ehren? Gehst Du dabei über den Monatszyklus hinaus und beziehst die Jahreszeiten mit ein?


Ich beobachte meinen Zyklus. Durch mein PCOS sind meine Zyklen oft lang und unregelmäßig, daher ist eine genaue Beobachtung für mich wichtig, um immer genau zu wissen, wo ich gerade stehe. So kann ich mit mir selbst nachsichtig sein. Ich weiß: Um den Eisprung herum bin ich total leistungsfähig und nach außen gewandt, kurz vor den Tagen und währenddessen, erlaube ich mir aber, mehr für mich zu sein und zwinge mich nicht zur Produktivität über mein herbst- oder winterliches Leistungsniveau hinaus. Ich versuche dann, abends in mein Journal zu schreiben oder zu meditieren; dieses Introspektive tut mir dann gut.


Was ist Dein liebstes Ritual im Frühling?

Für die Jahreszeit? Da habe ich kein spezielles. Wenn du die Follikelphase damit meinst: Ich weiß, dass ich dann super gut brainstormen kann. Meistens schreibe ich mir zu der Zeit dann einen Monatsplan und formuliere meine Intention aus.

 

Du legst einen starken Fokus auf Selfcare im Verlauf des Zyklus. Was ist Deine liebste Art, während der Periode Selbstfürsorge zu betreiben?

Ab auf die Couch mit Wärmeflsche und warmem Tee. Dann die Füße hochlegen und, ganz wichtig, weinen zulassen, wenn ich das Bedürfnis danach verspüre! Zudem schaue ich achtsam und liebevoll auf Gedanken und Themen, die immer wieder hochkommen. Jetzt ist nicht die Zeit, Herausforderungen anzugehen, aber ich kann sie zur Kenntnis nehmen und später im Zyklus bearbeiten.


Bildung und Begleitung für Menstruierende: It’s all blood für Schule und Eltern

It’s all blood richtet sich ja auch an Eltern und andere Bezugspersonen von menstruierenden Jugendlichen. Wie können Erwachsene von der Lektüre profitieren? 

‚It’s all blood‘ ist für Begleitpersonen von menstruierenden Kindern und Jugendlichen sinnvoll, weil es eine umfassende Übersicht über den Zyklus gibt, aber auch über Periodenprodukte und Verhütungsmittel. Gerade in diesen Kategorien kann sich dann auch in den letzten Jahren einiges verändert haben und Erwachsene sind da vielleicht nicht mehr so up-to-date und können ihr eigenes Wissen auf den neuesten Stand bringen.

Wie können Schulen und Bildungseinrichtungen It’s all blood nutzen, um eine umfassendere und inklusivere Aufklärung über die Menstruation zu fördern? 

Ich finde, es gehört auf jeden Fall in die Schulbibliothek! Dabei sehe ich ‚It’s all blood‘ eher als Nachschlagewerk: Wir haben ein genaues Inhaltsverzeichnis und ein ausführliches Glossar. Das kann auch dabei helfen, immer mal wieder einzelne Abschnitte rauszusuchen, die dann im Biologieunterricht gezeigt werden können. Auch ein Elternaufklärungsabend oder eine Lesung für Interessierte außerhalb des normalen Curriculums sind gut denkbar.

Der divana Verlag bietet ein tolles Aufklärungspaket. Weitere Informationen zum Bloody Freedom Menstruationspaket findest du hier. 

Ein Buch veröffentlichen als feministische Jungautorin

Was hast Du beim Prozess der Buchentstehung gelernt? Was würdest Du anderen Jungautor*innen mit auf den Weg geben?

Bleib für alles offen und neugierig. Sei geduldig, wenn der ganze Prozess viel länger dauert, als du vorher geplant hattest. ‚It’s all blood‘ wurde erst ein Jahr nach dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt veröffentlicht – aber es war die Zeit und Mühe wert! Außerdem kann ich dir noch raten, dich mit anderen Autor*innen auszutauschen, vor allem, wenn sie ein bisschen weiter auf ihrem Weg sind als du auf deinem.

 

Abschlussfrage: Der divana Verlag versteht sich als feministischer Verlag. Was hat Dich dazu bewogen, mit uns zusammen zu veröffentlichen?

Auf den divana Verlag bin ich gekommen, weil ich Natacha als Künstlerin des Vulvina-Malbuchs um ein Interview für mein Projekt gebeten hatte. Ungefähr zeitgleich hat sie dann den Verlag gegründet und mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ‚It’s all blood‘ dort herauszugeben. Und da das Thema Menstruation und Zyklusaufklärung definitiv feministisch ist, fand ich das sehr passend.


Danke für deine Zeit und deine Gedanken, liebe Melanie.

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